Was fehlt in der EU-Payment-Strategie?

Mit einem neuen Positionspapier will die EU-Kommission den Weg für einen europäischen Payment-Champion frei machen. Der Fokus auf Instant Payments ist dabei löblich, aber nicht ausreichend. Es braucht auch attraktive Kundenlösungen.

Die Art und Weise, wie wir heute bezahlen, ist einerseits so vielfältig wie lange nicht. Kredit- und EC-Karten, Handy-Apps und Smartwatches stehen den Kunden zur Verfügung, außerdem natürlich noch das gute alte Bargeld. Andererseits sind es einige wenige – meist amerikanische – Firmen wie Visa, Mastercard und mittlerweile auch Apple und Google, die einen Großteil dieser Transaktionen abwickeln. Europäische Anbieter sind meist zu klein und oft auch ohne attraktives Angebot, das die Kunden anlocken würde. Die einzigen Erfolgsgeschichten sind nationale Insellösungen, etwa die Girocard in Deutschland.

Die EU-Kommission hat diese Marktdominanz der Amerikaner als Problem erkannt und will nun mithilfe der EU-Payment-Strategie Abhilfe schaffen. Das große Ziel ist eine paneuropäische Lösung, attraktiv gemacht dadurch, dass sie Instant Payments jedem zugänglich macht und diese so absichert, wie die Konsumenten es von anderen Bezahlformen wie Banküberweisungen gewohnt sind. So sollen sie in Zukunft eine Instant-Payment-Überweisung bei einem Fehler stoppen können. Das ist bisher häufig ausgeschlossen.

An sich sind Echtzeitüberweisungen längst nichts Neues mehr. Der Europäische Zahlungsverkehrsausschuss stellt bereits seit drei Jahren ein Instant-Payment-Schema zur Verfügung, das nutzen allerdings nur 62 Prozent aller europäischen Zahlungsdienstleister. Von einer kompletten Marktdurchdringung kann also keine Rede sein.

Gegen das Vorhaben ist natürlich nichts zu sagen. Instant Payments, wie sie sich die EU-Kommission nun vorstellt, können eine gute Infrastruktur für eine paneuropäische Bezahllösung bieten, gerade wenn die Kosten für Verbraucher wie geplant gedeckelt werden. Allerdings wird es ohne begleitende Maßnahmen bei der Infrastruktur bleiben, die Payment-Strategie würde zu einer Autobahn werden, die niemand nutzt, weil keiner Lust hat, Auto zu fahren.

Nina Kristin Pütz

Denn leider vergisst die EU bei all den guten Ideen die entscheidende Frage: Wie kriegt der hypothetische europäische Zahlungschampion dieselbe Akzeptanz bei den Kunden wie die amerikanischen Anbieter? Die Geschichte hat gezeigt, das ambitionierte technische Lösungen nur funktionieren, wenn sie angenehm und intuitiv in unseren Alltag integrierbar sind. Man denke nur an die Entwicklung des Smartphones: Nokia brachte ein solches bereits vor Apple auf den Markt, das nach Meinung vieler damaliger Marktbeobachter das iPhone sogar technisch übertraf. Doch am Ende setzte sich das deutlich nutzerfreundlichere Applegerät durch. Heute ist die Firma aus Cupertino an der Börse zwei Billionen US-Dollar wert und Nokia baut keine Handys mehr.

Gegen den Kunden funktioniert also keine Transformation. Die EU-Kommission sollte sich daher Gedanken machen, wie ein Produkt aussehen könnte, dass Verbraucher am Ende bequem und damit gerne beim Kauf einsetzen können. Natürlich ist es in einem proporzgeprägten Gebilde wie der Europäischen Union schwierig, so etwas auf die Beine zu stellen. Vielleicht lassen sich die Köpfe hinter der Strategie von der verstärkten Zusammenarbeit inspirieren, einem Mechanismus, den sich die EU einst selbst gegeben hat, um Innovation schneller umzusetzen als üblich: Dabei einigen sich nur einige Mitgliedsstaaten auf ein Vorgehen, die anderen können gegebenenfalls später nachziehen.

Auf die Payment-Strategie gemünzt könnte man also überlegen, eine E-Commerce-Bezahllösung erst in Deutschland und Frankreich zu launchen. Ist diese erfolgreich, wird sie sich schnell verbreiten und auch andere Länder werden teilhaben wollen.

Die Auswahl steht im Mittelpunkt

Aber selbst wenn ein gutes Produkt steht, dürfen die Europäer nicht zu überschwänglich werden. Egal, wie gut der Ansatz ist: Die Menschen wollen weiterhin auswählen können. Gerade in Deutschland ist die Liebe zum Bargeld so ausgeprägt, dass es vermutlich nie ganz verschwinden wird. Auch Zahlung auf Rechnung, Ratenzahlung und andere Optionen werden Bestand haben und verdienen es, dass sich die EU-Kommission mit ihnen auseinandersetzt. In diesem Punkt ist die Payment-Strategie auf dem richtigen Weg, so soll etwa die Verfügbarkeit von Bargeld sichergestellt werden. Das ist wichtig, schließlich hat längst nicht jeder Europäer Zugang zu einem Bankkonto.

Außerdem wird man nicht darum herumkommen, mit den amerikanischen Anbietern zu kooperieren. Zum einen haben diese schon eine Marktdurchdringung erreicht, die Europa durchaus für sich nutzen kann. Warum den richtigen Ansatz, Instant Payments zu fördern, nicht in Zusammenarbeit mit Apple verfolgen? Über eine gute Infrastruktur freuen sich auch die Firmen aus dem Silicon Valley und die großen Kreditkartenanbieter.

Zum anderen bewegen sich Menschen im Globalisierungszeitalter nicht nur innerhalb Europas. Ein Grund für die hohe Akzeptanz etwa von Visa und Mastercard ist auch, dass sie weltweit nutzbar sind. Wer eine Kreditkarte hat, braucht für den Amerika-Urlaub keine neue Bezahlmethode. Aus EU-Sicht wäre es also nützlich, das neue Produkt mit einem etablierten Anbieter zu verknüpfen, damit es auch international funktioniert.

Es ist lobenswert, dass die EU-Kommission mit der Payment-Strategie die Diskussion rund um europäische Bezahllösungen wieder anschiebt. Der Weisheit letzter Schluss kann – und soll vermutlich – das Papier aber nicht sein.