künstliche intelligenz im ecommerce retail talk

Künstliche Intelligenz im
E-Commerce

Am 15. Juni 2023 fand unser Ratepay Retail Talk „The Future of AI-Powered Transactions“ in unseren neuen Büroräumen in Berlin-Kreuzberg statt. Dabei diskutierten wir die künftigen Auswirkungen, Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz im Allgemeinen und für das E-Commerce im Speziellen. Zur Diskussion hatten wir folgende Experten eingeladen:

Ratepay Retail Talk Speaker

Moderiert wurde die Veranstaltung von unserer CPO Diana Pulnar. Sie führte das Gespräch am Leitfaden der aktuell wichtigsten Fragen rund um Künstliche Intelligenz:

  • Ist KI tatsächlich eine Revolution oder doch nur ein Hype?
  • Welche gesellschaftlichen und politischen Folgen kann der Einsatz von Künstlicher Intelligenz haben?
  • Wie wird der Online-Handel von Künstlicher Intelligenz profitieren – sowohl auf Seiten der Händler:innen wie auch der Verbraucher:innen?
  • Welche Auswirkungen hat der Einsatz von KI auf die künftige Arbeitswelt?
  • Könnte Künstliche Intelligenz irgendwann auch zu einer Bedrohung werden?

Lesen Sie hier eine Zusammenfassung der spannenden und inspirierenden Gesprächsrunde.

Künstliche Intelligenz: Revolution oder doch nur Hype?

Zu Künstlicher Intelligenz, wie wir sie heute definieren, wird schon seit knapp 30 Jahren geforscht. In den späten 90ern sprach man zunächst von „Machine Learning“, das bereits ein erster großer Meilenstein war, sich aber noch lange nicht auf dem Niveau menschlicher Performance bewegte. Entscheidend für die rasante Entwicklung von KI in jüngerer Zeit war vor allem der Zugang zu möglichst vielen Datenquellen, vor allem in Form von Clouds. Laut Dr. Ramin Assadollahi sind aber auch die Bilderkennung und das Natural Language Processing wichtige Exponenten für die zwischenzeitlich rasante Weiterentwicklung von KI.

Das Release von ChatGTP, das seit Kurzem von allen Internet-Nutzer:innen weltweit so einfach und intuitiv wie Google bedient werden kann, ist der aktuelle Hauptgrund für die gesellschaftliche Verbreitung und das zunehmende Bewusstsein für die Existenz von KI überhaupt.

Während also die Forschenden schon lange mit Künstlicher Intelligenz vertraut sind, erscheint KI für die globale Gesellschaft dieser Tage mehr oder weniger aus dem Nichts. Deshalb stufen aktuell viele Menschen Künstliche Intelligenz nur als Hype ein – während sie aus Sicht der Forschenden durchaus Potenzial für eine Revolution hat.

Gesellschaftliche und politische Folgen von Künstlicher Intelligenz

In einem offenen Brief warnte Tesla-Chef Elon Musk im März 2023 zusammen mit über 1.000 Tech-Riesen vor den Risiken von KI. Auch unser Gast Dr. Steven Lemm schließt sich den in Musks Brief geäußerten Bedenken an und erklärt, dass unsere Gesellschaft nicht mit den schnellen Entwicklungen von KI mithalten könne und deshalb unbedingt besser auf diese neue Technologie vorbereitet werden müsse:

Speaker Steven Lemm at Ratepay Retail Talk

Während der industriellen Revolution Anfang des 20. Jahrhunderts habe es 10-20 Jahre gedauert, bis die damals neuen Entwicklungen bei der Bevölkerung angekommen seien. Bei Künstlicher Intelligenz dagegen sei dieses Zeitfenster viel kürzer (etwa nur ein Jahr). Hinzu komme, dass aller Voraussicht nach auch die Gesetzgebung den neuen Entwicklungen hinterherhinken werde. Aus diesen zwei Gründen plädiert Dr. Lemm für eine Entschleunigung im Umgang mit KI.

Till Riffert glaubt, dass diese Entschleunigung nicht notwendig sei – vielmehr habe Deutschland bei der Digitalisierung viel aufzuholen und deshalb gerade keine Zeit zu verlieren. Zudem sei KI ein globales Thema, bei dem nicht die Geschwindigkeit einzelner Länder, sondern der internationale Takt ausschlaggebend sei.

Dr. Assadollahi gab zu bedenken, dass Entschleunigung eine gute Idee sei, allerdings aufgrund des globalen Wettbewerbsdrucks nicht realistisch. Wettbewerb bestehe nicht nur zwischen den Unternehmen, sondern vor allem zwischen den Ländern: „Wenn einzelne Länder entschleunigen, werden andere nicht mitmachen und dies dann als Wettbewerbschance für sich nutzen.“ Zudem sei KI bereits heute auf jedem gewöhnlichen Consumer-Endgerät überall auf der Welt zugänglich und kann von sehr vielen Menschen genutzt werden. „Deshalb müssen wir die Gesellschaft auf KI vorbereiten.“

Künstliche Intelligenz im Online-Handel

Künstliche Intelligenz kann bereits heute für viele Einsatzzwecke im E-Commerce verwendet werden. Online-Shops und E-Commerce-Plattformen profitieren dabei von Automatisierungen, maschinellem Lernen, Chatbots, virtuellen Assistent:innen und KI-gestützten Datenanalysen oder auch so genannten E-Commerce-Analytics. Wie sieht das im Einzelnen aus?

Künstliche Intelligenz ist darauf ausgelegt, alle Shopper*innen möglichst ganzheitlich, also holistisch, zu erfassen und zu verstehen. Dabei wird nach Möglichkeit die gesamte Kaufhistorie jedes und jeder Einzelnen erfasst: Zu welchem Zeitpunkt hat die Person welches Produkt zu welchem Preis für sich oder für wen sonst gekauft? Daraus können dann verschiedene Eigenschaften der Person abgeleitet werden, wie zum Beispiel: das Alter, die Hobbys, der Familienstand, der Bildungsstand, das berufliche Profil, die Liquidität oder auch die Kaufphilosophie der betreffenden Person – aber auch aller weiteren Personen, die mit ihr zusammen in einem Haushalt leben. Hier ein paar Beispiele – ergänzend zu den im Gespräch genannten:

  • Wer vor zwei Jahren für seinen fünfjährigen Sohn ein Spielzeug gekauft hat, braucht heute für seinen inzwischen siebenjährigen Sohn möglicherweise Materialien zur Einschulung. War das Spielzeug damals eher teuer, würde die KI auch diesmal eher teurere Produkte zum Schulstart empfehlen.
  • Wer letztes Jahr Tickets für ein Festival gekauft hat, möchte diese Veranstaltung dieses Jahr möglicherweise wieder besuchen, weil er eine gute Bewertung zum letztjährigen Event im Internet veröffentlicht hat. Und natürlich benötigt er für die Hinreise wie letztes Jahr auch wieder Bahn-Tickets für möglicherweise die gleiche Anzahl von Personen, die mitreisen.
  • Wer vor drei Jahren Winterstiefel gekauft hat, braucht ggf. noch vor dem nächsten Winter neue Schuhe. Beispielsweise weil die vergangenen Winter sehr kalt und nass waren und die wahrscheinlich stark strapazierten Schuhe zwischenzeitlich ersetzt werden müssen.
  • Wer Produkte unter 100 Euro stets per Vorkasse bezahlt, bei Ware über 100 Euro dagegen aus Sicherheitsgründen den Rechnungskauf bevorzugt, kann auf einer E-Commerce-Plattform unmittelbar zu den Händler*innen weitergeleitet werden, die das gesuchte Produkt auch in Kombination mit der gewünschten Zahlungsart anbieten.

Diese Beispiele zeigen, dass KI im E-Commerce in erster Linie auf die Frage getrimmt wird, was eine Person aller Voraussicht nach als nächstes brauchen und mit Sicherheit einkaufen wird, um darauf aufbauend personalisierte Kaufempfehlungen zum perfekten Zeitpunkt proaktiv an diese Person zu adressieren. Doch genau diese holistische Erfassung einer Person anhand vieler einzelner Verhaltensweisen zu einem einheitlichen Bild ist die große Herausforderung bei der Entwicklung einer KI. Große Unternehmen und Marktplätze sind hier klar im Vorteil, sagen die Experten unserer Runde: Denn sie verfügen oft schon über eine breite Datenbasis – interessanterweise aber nutzen viele von ihnen diese Daten nicht so umfassend, wie es (mit KI) möglich wäre.

Till Riffert at Ratepay Retail Talk

Doch damit nicht genug: KI kann im E-Commerce auch eingesetzt werden, um die Shopper Experience zu personalisieren. Konkret heißt das: Wenn zwei verschiedene Personen in einem Online-Shop das gleiche Produkt recherchieren, sollten sie im Idealfall unterschiedliche Produktpräsentationen mit unterschiedlichen Bildern und Beschreibungstexten erhalten.

Auch hier ein Beispiel ergänzend zum Expertengespräch: Suchen erfahrene Hobby-Fotograf:innen nach einem Blitzgerät, sind für sie wahrscheinlich eher die technischen Daten wie Leitzahl oder Blitzleuchtzeit relevant, um schnell die richtige Kaufentscheidung treffen zu können. Fotografie-Neulinge hingegen benötigen einfache Produktbeschreibungen, um bspw. zu erfahren, ob das betreffende Gerät über genug Leistung für Portraits im Innenraum verfügt. Zwar ließe sich diese Tatsache aus dem technischen Datenblatt herleiten – genau das aber können Anfänger:innen in der Regel nicht tun. Hier kommen deshalb KI-gestützte Produktempfehlungen ins Rennen, die jeden bei seinem persönlichen Wissenstand abholen.

Eine vergleichbare Personalisierung von Content wäre auch bei der Auswahl von Produktbildern denkbar. Und auch Produkt-Suchen können zwischenzeitlich KI-gestützt funktionieren, so dass Shopper:innen schneller zum gewünschten Ergebnis kommen.

KI kann aber auch für Händler:innen vieles einfacher machen. Dr. Lemm sprach in diesem Zusammenhang von regelmäßigen Forecasts, die eine Künstliche Intelligenz für eine bessere Liquiditätsplanung durchführen kann. Und auch logistische Prozesse wie die Abwicklung von Retouren oder die Wegoptimierung für Kommissioniervorgänge im Lager können seiner Ansicht nach zuverlässig von Künstlicher Intelligenz gesteuert werden.

Genauso kann KI beim Risk Management eine solide Hilfe sein. Die Spezialität guter Zahlungsanbieter aus der Fintech-Branche besteht ja gerade darin, KI-gestützte Technologien und Prozesse aufzusetzen und kontinuierlich zu verbessern, um eine möglichst verlässliche Echtzeit-Bonitätsprüfung von Shopper*innen im Checkout eines Online-Shops sicherstellen. Auf diese Weise schützen sie sich und die Shops vor möglichen Zahlungsausfällen.

So kommt bei Ratepay zum Beispiel neben umfassenden shop-übergreifenden Datenbanken und Schnittstellen zu Auskunfteien auch eine KI-basierte Risk Fraud Engine zum Einsatz, die entsprechende Risikoanalysen in wenigen Millisekunden durchführen kann. Derartige Technologien und Prozesse befinden sich bei vielen Zahlungsanbietern zwischenzeitlich auf einem so hohen technologischen Niveau, das damit keine von einem Online-Shop aufgebaute Inhouse-Zahlungslösung noch ernsthaft konkurrieren könnte.

Fazit: Die Expertenrunde ist sich darin einig, dass auf dem heutigen Stand der Technik für nahezu jede Herausforderung im E-Commerce eine KI entwickelt werden kann, wenn es im Vorfeld gelingt, die betreffende Herausforderung quantifizierbar zu machen – also über ausreichende Datenmengen zu verfügen.

Assadollahi Ratepay Retailk Talk Speaker

Dabei sollte man sich schon im Vorfeld festlegen, welche grundsätzlichen strategischen Ziele man mit einer KI im E-Commerce verfolgen will: Soll die Automatisierungslösung bspw. auf die Optimierung von Umsatz ausgelegt werden oder vor allem im Interesse von Nachhaltigkeit arbeiten? Soll sie vor allem Neukund:innen begeistern oder Bestandskund:innen noch zufriedener machen?

Wir sehen also, dass die Möglichkeiten nahezu unbegrenzt sind. Doch wo werden Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz im Online-Handel bereits eingesetzt und wie reagieren Verbraucher:innen darauf? Im Austausch mit dem Publikum wurde unter anderem deutlich, dass Menschen ihre Interaktion mit einer KI beim Online-Shopping zum einen oft überhaupt nicht wahrnehmen. Zum andern vermuten sie hinter bestimmten Prozessen zwar eine KI, sind aber nicht übermäßig begeistert von dem Niveau, auf dem sie arbeitet.

Den ersten Fall bewerten die Experten so, dass sich gerade darin die Qualität von gut entwickelten Automatisierungen zeigt: Sie funktionieren, ohne das die Shopper:innen merken, dass sie es mit einer Künstlichen Intelligenz zu tun haben. Und tatsächlich sind wir bereits heute sehr oft mit Künstlicher Intelligenz in Kontakt, ohne es zu bemerken.

Der zweite Fall lässt sich auf Grundlage des Gesprächs am besten so einordnen: Zwar arbeiten manche Anbieter im E-Commerce bereits mit KI-gesteuerten Prozessen, allerdings müssen diese Prozesse auch miteinander vernetzt und darüber hinaus richtig vernetzt sein.

Existiert keine solche Vernetzung, schöpft man das vorhandene Potenzial seiner KI nicht vollständig aus. Vernetzt man KI-gesteuerte Prozesse falsch miteinander, verliert man schnell die Kontrolle, weil sich irgendwelche Parameter exponentiell verändern können. Beides können mögliche Gründe für enttäuschte Erwartungshaltungen von Shopper:innen sein, die bereits bewusst mit einer KI im Online-Handel interagiert haben.

Die Auswirkungen von KI auf die Arbeitswelt

Gegen Ende des Talks haben sich die Experten auch den Verunsicherungen gewidmet, die durch das plötzliche Auftauchen von KI in der Arbeitswelt entstanden sind: Für welche Aufgaben werden künftig keine Menschen mehr benötigt, weil sie teilweise oder vollständig von Künstlicher Intelligenz übernommen werden? Hierzu gab es verschiedene Positionen:

Auf der einen Seite – so die Experten – werden bestehende Aufgaben nicht einfach wegfallen sondern sich schlichtweg verändern. Das heißt: Menschen, die auf einer bestimmten Position arbeiten, werden ihre Arbeit zwar behalten, allerdings werden sich ihre Tätigkeitsschwerpunkte verschieben. Künstliche Intelligenz wird dabei zu einem weiteren Tool, das die Menschen bei ihrer täglichen Arbeit verwenden. Die Verschiebung der bisherigen Tätigkeiten beinhaltet also auch die Bedienung der KI selbst: „Eine KI zu steuern ist in etwa so, als würde man einen Berufsanfänger einlernen.“ sagt Riffert in diesem Zusammenhang. „Jobs gehen also nicht zwingend verloren, nur die Schwerpunkte ändern sich.“

Ratepay CPO Diana Pulnar at Ratepay Retail Talk

Eine Studie von Goldman Sachs allerdings warnt davor, dass 60 % aller Wissensarbeiter:innen in absehbarer Zukunft nicht mehr benötigt werden. Auch Dr. Assadollahi teilt diese Einschätzung prinzipiell: In jeder technischen Revolution hätten die Menschen zu Recht Angst davor gehabt, ihren Job zu verlieren. Dafür seien auf der anderen Seite aber stets neue Jobprofile entstanden, die es vorher überhaupt nicht gegeben habe. Solche Transformationen hätten langfristig viele verschiedene Auswirkungen – auf die Gesellschaft, den Arbeitsmarkt und irgendwann sogar auf unser Bildungssystem. Doch auch wenn dabei viele neue Chancen und Perspektiven entstehen, müsse man ehrlich sein: Ein bestimmter Teil der arbeitenden Gesellschaft werde von solchen Veränderungen leider immer auch in Mitleidenschaft gezogen.

Kommt Künstliche Intelligenz irgendwann auf ein menschliches Niveau?

Viele Menschen fragen sich bereits heute, ob KI eines Tages auch ein eigenständiges Leben führen könnte und dann auf echtem menschlichen Niveau agieren und interagieren wird. Diese Frage stellte den Abschluss der spannenden Expertenrunde dar.

Damit eine KI die Möglichkeit hat, ein menschliches Niveau zu erreichen, benötigt sie laut Dr. Lemm in erster Linie die Möglichkeit, frei zu lernen – also ohne Einschränkungen experimentieren zu dürfen, dabei mit Absicht Fehler zu machen und aus diesen Fehlern selbstreferenzielle Handlungskorrekturen für die Zukunft vornehmen zu können. So, wie es Menschen eben auch tun.

Bekäme eine KI ausreichend Freiraum für diese Art des Experimentierens und Lernens, dann wird eines Tages die Möglichkeit, menschliches Niveau zu erreichen, durchaus denkbar sein. Wir verfolgen die Entwicklung gespannt.

Der Ratepay Retail Talk in voller Länge

Verfolgen Sie hier den Ratepay Retail Talk und seien Sie hautnah mit dabei, wie die Speaker unter einander und mit dem Publikum über die Zukunft des E-Commerce sprechen.

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