Wie man Retouren vermeidet, ohne das Shopping-Erlebnis zu schmälern.

Warum Retournieren schadet – dem Kunden, dem Händler und der Umwelt.

Im Online-Shopping spielen Retouren je nach Branche eine komplett untergeordnete oder extrem wichtige Rolle: Die Bandbreite, wie viel Prozent der bestellten Ware jährlich in Deutschland retourniert wird, geht dabei von 3-10 % in der Möbelbranche bis hin zu 50-80 % im Fashion-Bereich.

An der Otto-Friedrich-Universität Bamberg schätzte die Forschungsgruppe Retourenmanagement, dass im Jahr 2018 in Deutschland etwa 280 Millionen Pakete und rund 490 Millionen Artikel retourniert wurden. Im Jahr 2019 waren es 301 Millionen Pakete und im Jahr 2020 sogar 315 Millionen Pakete. Übrigens: 2019 war Deutschland im europaweiten Vergleich das Land mit den meisten Retouren im Online-Handel.

Dabei hat eigentlich niemand ein Interesse an Retouren, da sie mit vielen ökonomischen und ökologischen Nachteilen verbunden sind: Händler müssen den Kaufprozess mit zusätzlichem Aufwand rückabwickeln und die Ware im schlimmsten Fall sogar vernichten. Der Kunde muss Rücksendungen auf den Weg bringen und ggf. sogar Versandkosten bezahlen. Und die Umwelt leidet erheblich unter dem CO2-Ausstoß beim Transport.

Laut Forschungsgruppe Retourenmanagement erzeugt eine einzige Retoure in Deutschland durchschnittlich 500 g CO2. Das wären im Jahr 2020 allein 157.500 Tonnen CO2, das nur fürs Zurückschicken von Ware innerhalb Deutschlands ausgestoßen wird (Quelle: Retourenforschung). Das entspricht in etwa der CO2-Menge von 19.650 Erdumrundungen mit dem Flugzeug (errechnet mit Quarks).

Dr. Michael Bilharz vom Umweltbundesamt UBA beziffert den wirtschaftlichen Schaden so: „Eine Tonne CO2 verursacht im Schnitt 180 Euro Schaden an Ernteausfällen, an Gebäudeschäden etc.“ (Quelle: Deutschlandfunkkultur). Das ergibt für das Jahr 2020 einen wirtschaftlichen Gesamtschaden von 28,35 Millionen Euro – allein durch innerdeutsche Retouren verursacht. Doch das ist längst nicht alles: Auch das zusätzlich benötigte Verpackungsmaterial geht zu Lasten unseres Planeten.

Retouren vermeiden: ja. Aber bitte nicht auf Kosten des Shopping-Erlebnisses.

Wie also lassen sich Retouren bestmöglich vermeiden, ohne dass das Einkaufserlebnis der Shopper*innen darunter leidet? Das würde in letzter Konsequenz nämlich unzufriedene Kund*innen und damit deutlich weniger Erfolg auf fast allen Ebenen des eCommerce nach sich ziehen. Betrachtet man Shopping Journeys von einem abstrakteren Level aus, kann man generell fünf verschiedene Schritte identifizieren, die alle Shopper*innen beim Online-Einkauf durchlaufen. Und überall gibt es Stellschrauben, mit denen man die Retourenwahrscheinlichkeit von Anfang an minimieren kann:

1. Start der Shopping Journey

Betreiber eines Online-Shops sollten eine Umweltkampagne starten und diese prominent in ihrem Shop bewerben. Zum Beispiel in Form eines Banners, der direkt auf der Startseite integriert ist. So können Kund*innen schon zu Beginn ihres Besuchs im Online-Shop für die Verschwendung von Ressourcen bei unnötigen Rücksendungen sensibilisiert und auf ein gemeinsames Handeln zum Schutz unseres Planeten eingeschworen werden.

2. Kaufinteresse

Sobald an einem Artikel Kaufinteresse besteht, müssen die Shopper*innen bestmöglich
Sobald an einem Artikel Kaufinteresse besteht, müssen die Shopper*innen bestmöglich unterstützt werden, um die richtige Variante (z. B. Größe oder Farbe) zu finden. Dafür können Online-Shops auf die Services von externen Dienstleistern wie KI-Anbietern oder Analytics-Spezialisten zurückgreifen. Gerade für den Textilbereich gibt es umfangreiche Datenbanken zu Kleidergrößen oder innovative Lösungen wie Online-Körperscanner. Diese Technologien lassen sich relativ einfach in einen Online-Shop integrieren und helfen enorm bei der Auswahl der passenden Produkte. Spannende Projekte dieser Art sind zum Beispiel „Körpervermessung mit dem Smartphone“ (Quelle: Gründer).

Aber auch Produktbeschreibungen müssen optimal verfasst und mit vielen authentischen Bildern und Videos in guter Qualität angereichert sein. Das Produkt darf weder durch unvorteilhafte Bilder unangemessen beworben werden, noch sollten frisierte Marketing-Bilder die Erwartungen zu hoch schrauben. „What you see is what you get“ ist hier die Devise. Mit dieser authentischen Content-Strategie sammelt man übrigens auch Pluspunkte bei Suchmaschinen wie Google und gute Bewertungen in den sozialen Medien.

 

 3. Zum Warenkorb hinzufügen

Liegt ein Artikel erstmal im Warenkorb, geht es weiter: Eine KI-basierte Analyse erkennt im Hintergrund, ob und aus welchem Grund dieser Artikel in der Vergangenheit schon oft retourniert wurde. Hier helfen automatisierte Hinweise, dass der Artikel üblicherweise größer oder kleiner ausfällt oder dass viele Kund*innen keinen ausreichenden Schutz vor den Temperaturen der aktuellen Saison bemängelt haben. Solche Orientierungshilfen unterstützen die Entscheidung, den Artikel aus dem Warenkorb zu entfernen.

 4. Im Checkout

Im Checkout kann zum Beispiel Bezug auf die bereits erwähnte Umweltkampagne genommen werden. Wer einen Artikel in mehreren Größen bestellt, willigt ein, im Falle einer Retoure eine CO2-Pauschale für die Rücksendung zu entrichten. Etwas restriktiver, aber manchmal durchaus gerechtfertigt, wäre das Ausblenden der Option „Rechnungskauf“ im Checkout, wenn die Shopperin oder der Shopper in der Vergangenheit schon oft retourniert hat. Denn beim Kauf auf Rechnung ist die Bereitschaft fürs Retournieren am größten.

5. Nach dem Checkout

Auch nach getätigter Bestellung gibt es Möglichkeiten, Retouren zu vermeiden. Im Rahmen einer Umweltkampagne oder eines Bonusprogramms kann ein Punktekonto bzw. Gutscheinsystem helfen: Je weniger eine Shopperin oder ein Shopper retourniert, desto mehr Punkte werden ihm angerechnet und desto mehr Vorteile erhält sie oder er beim nächsten Einkauf. Solche Bonuspunkte könnten die Shopperin*innen aber auch als Belohnung für Rezensionen erhalten, die wiederum anderen Shopper*innen beim Vermeiden von Retouren helfen.

Händler und Shopper ziehen an einem Strang.

Insgesamt geht es also darum, die Shopper*innen ins gemeinsame Boot zu holen und zu zeigen, dass Retourenvermeidung kein einseitiges Interesse ist, sondern dass alle davon profitieren, wenn alle an einem Strang ziehen: Die Händler*innen, wenn sie sich Extra-Mühe machen und zusätzliche Technologien und Konzepte anbieten, und die Shopper*innen, wenn sie diese Angebote nutzen und ein klein wenig bewusster einkaufen.