Buy now, pay later in Deutschland bedeutet Rechnungskauf
Wir hatten schon öfter über die verschiedenen Aspekte von „Buy now, pay later“ berichtet, sei es im Rahmen der 2023 in Kraft tretenden Änderungen der EU-Verbraucherschutzrichtlinie, sei es im Zusammenhang mit den Kosten und Risiken von In-House-BNPL-Lösungen oder in unserer Übersicht über alle in Deutschland verfügbaren BNPL-Anbieter.
In diesem Artikel möchten wir eine ganz bestimmte BNPL-Lösung, nämlich den Rechnungskauf, näher beleuchten. Denn dieser ist in Deutschland eine im internationalen Vergleich historisch gewachsene Besonderheit im Zahlungsverkehr.
Der Kauf auf Rechnung hat im deutschen Einzelhandel seit über 70 Jahren Tradition. Das Versandhaus Werner Otto, seit vielen Jahrzehnten eine feste Größe im deutschen Versandhandel, war der erste Einzelhändler, der im Jahr 1950 seinen Kund*innen den Kauf auf Rechnung anbot: „Gemäß dem Satz ‚Vertrauen gegen Vertrauen‘ war Werner Otto der Erste seiner Branche, der den Kauf per Rechnung statt per Nachnahme einführte […]“ Aber auch den Versandhausriesen Neckermann und Quelle wird ein wesentlicher Beitrag zur Verankerung des Rechnungskaufs im deutschen Zahlungsverkehr nachgesagt.
Die Deutschen waren es also schon seit Jahrzehnten gewohnt, im Versandhandel auf Rechnung einzukaufen, als der E-Commerce in den 1990er-Jahren seinen Siegeszug im Internet antrat. Als dann im Jahr 2016 der BNPL-Boom begann und sich verschiedene Online-Payment-Anbieter unter anderem auf den Rechnungskauf spezialisiert und ihn als Zahlungsart speziell für den Online-Handel weiterentwickelt hatten, konnte sich der Rechnungskauf endlich flächendeckend im deutschen E-Commerce verbreiten.
Mit Hilfe von BNPL-Zahlungsanbietern waren nun immer mehr Online-Shops egal welcher Größe in der Lage, den in Deutschland so beliebten Rechnungskauf in ihrem Checkout anzubieten, ohne das hohe wirtschaftliche Risiko tragen zu müssen, das für Händler*innen mit dieser Zahlungsart verbunden ist.
Kurz: Der BNPL-Boom hat in erster Linie dazu geführt, dass der ohnehin schon traditionelle Rechnungskauf nun endlich auch flächendeckend im deutschen E-Commerce zur Verfügung stand. Insofern hat der BNPL-Boom in Deutschland mit dem Rechnungskauf eigentlich keine neue Zahlungsart etabliert, sondern eine bereits etablierte Zahlungsart in den Online-Handel transferiert.
Das erklärt die dauerhaft hohe Beliebtheit des Rechnungskaufs im deutschen E-Commerce. Und diese sieht in Zahlen so aus…
Der Rechnungskauf bleibt BNPL-Dauerbrenner bei den Deutschen
Der Rechnungskauf ist seit einigen Jahren eine der beliebtesten BNPL-Zahlungsarten im deutschen oder deutschsprachigen E-Commerce.
So sah der Nets E-Commerce Report für das Jahr 2020 den Rechnungskauf in Österreich und der Schweiz mit 30 % als beliebteste Zahlungsmethode auf Platz 1 vor allen anderen gängigen Zahlungslösungen. Die EHI Studie Online Payment 2021 sah den Kauf auf Rechnung mit 30,4 % auf Platz 1 der meistgenutzten Zahlungsarten in Deutschland. Der Nets E-Com Report DACH Update 2020/21 zeigt, dass 37 % der Deutschen auf Rechnung kaufen.
Laut einer Studie des KEP-Dienstleisters DPD aus dem Jahr 2022 wird der Rechnungskauf von 44 % aller Shopper*innen genutzt. Auch die neue EHI-Studie Online-Payment 2023 zeichnet ein ähnliches Bild: Dort liegt der Rechnungskauf mit 23,8 % auf Platz 2 der beliebtesten Zahlungsarten.
Zwar sieht diese Studie seit 2023 PayPal mit 29,6 % auf Platz 1. Allerdings müsste hier noch weiter differenziert werden, da PayPal selbst auch den Rechnungskauf anbietet. Es wäre also noch aufzugliedern, ob der PayPal-Rechnungskauf zur Nutzung des Rechnungskaufs oder zur Nutzung von PayPal zählt. Erst dann hätte man ein exaktes Bild von der aktuellen Beliebtheit des Rechnungskaufs.
Die Prognose für die Zukunft jedenfalls ist durchweg positiv: Was die Akzeptanz von BNPL-Zahlungen in Deutschland angeht, wird bis 2028 eine Wachstumsrate von 23,8 Prozent erwartet. Der BNPL-Bruttowarenwert in Deutschland soll dabei von 12 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 auf 83 Milliarden US-Dollar im Jahr 2028 ansteigen.
Auch 2023 und darüber hinaus ist daher das wichtigste Credo: Den Rechnungskauf im Checkout des eigenen Online-Shops anzubieten, ist ein absolutes Muss, wenn man keine Zahlungsabbrüche in letzter Sekunde riskieren will, einfach weil Shopper*innen ihre präferierte Zahlungsart nicht auswählen können.
BNPL in der Kritik – Was ist dran?
Trotz des großen Erfolgs von BNPL-Lösungen haben sich in den letzten Jahren auch kritische Stimmen zu Wort gemeldet. Zunächst sei hier die Banken-Branche erwähnt, die eine mangelnde Regulierung der BNPL-Anbieter moniert, während sie selbst den großen BNPL-Boom zunächst verschlafen hat und sich erst seit Kurzem doch noch mit eigenen BNPL-Produkten einen Marktanteil sichern möchte.
Das Thema der Regulierung von BNPL-Produkten wird aber auch von anderen Instanzen aufgegriffen: So warnt die SCHUFA bspw. vor einer gewissen Verschuldungsgefahr vor allem für jüngere Menschen. Auch die EU-Politik nennt unter anderem diese Sorge als Grund für ihre Änderungen an der EU-Verbraucherschutzrichtlinie, die wahrscheinlich noch 2023 in Kraft treten werden. Und bei der Verbraucherzentrale wird BNPL aus den gleichen Gründen kritisch ins Visier genommen.
Der Kern aller kritischen Stimmen ist dabei, dass es vor allem jüngere Menschen in einem Alter von bis zu 30 Jahren seien, die angeblich mit BNPL-Produkten nicht immer richtig umgehen könnten, während gerade diese Altersgruppe besonders gerne BNPL-Produkte nutze. Entsprechend werden BNPL-Produkte nicht selten als Schuldenfalle stigmatisiert.
Diese Kritik aber greift sie in der Sache erstens zu kurz und ist zweitens extrem einseitig – zumindest was den Rechnungskauf angeht.
Zu kurz greift die Kritik, weil das Geschäftsmodell seriöser BNPL-Anbieter gerade nicht darin besteht, Shopper*innen in eine Schuldenfalle zu locken, um anschließend ausstehende Forderungen in aufwändigen Inkasso-Verfahren in nicht absehbarer Zukunft wieder einzutreiben.
Vor allem deshalb nicht, weil BNPL-Anbieter jeden Betrag, der von den Verbraucher*innen letztlich nicht beglichen wird, trotzdem zu 100 Prozent an den jeweiligen Online-Shop bezahlen müssen – und dies zum Zeitpunkt des offiziellen Zahlungsausfalls meist auch schon getan haben. Mit einer potenziellen Zahlungsunfähigkeit der Verbraucher*innen auch nur ansatzweise leichtfertig umzugehen, wäre daher das unternehmerische Ende jedes BNPL-Anbieters.
Aus diesem Grund arbeiten BNPL-Anbieter unermüdlich an Technologien und Prozessen, die eine möglichst solide Bonitätsprüfung von Shopper*innen sicherstellen, um sich so gut wie möglich vor jeglichen Zahlungsausfällen zu schützen.
BNPL-Anbieter nutzen umfassende, shop-übergreifende Datenbanken, programmieren Künstliche Intelligenz, setzen Risk Fraud Engines ein und haben Schnittstellen zu Auskunfteien (und stellen damit ein gebündeltes technologisches Know-how unter Beweis, das viele traditionelle Banken bis heute nicht haben), nur um exakt diese schwarzen Schafe zu identifizieren und ihnen im Checkout gerade kein BNPL-Angebot zu machen.
Je besser diese Technologien und Prozesse funktionieren, desto erfolgreicher kann sich ein BNPL-Anbieter vor Zahlungsausfall schützen: Bei Ratepay zum Beispiel liegt die so genannte Bad Debt Ratio, also der Anteil an tatsächlich zahlungsunfähigen BNPL-Kund*innen, in einem sehr niedrigen einstelligen Prozentbereich. Wäre das anders, wären wir nicht nur weniger erfolgreich, sondern überhaupt nicht mehr am Markt.
Zu einseitig ist die BNPL-Kritik speziell in Bezug auf den Rechnungskauf. Denn die zeitversetzte Bezahlung ist nicht deshalb für viele so attraktiv, weil sie etwa zum Zeitpunkt des Kaufs etwa nicht liquide oder sogar insgesamt verschuldet wären. Der Rechnungskauf ist aus einem völlig anderen Grund beliebt: Er schützt die Verbraucher*innen…
Die Deutschen lieben den Rechnungskauf, weil er sie schützt
Viele Shopper*innen schätzen den Rechnungskauf sehr, weil er sie vor vielen Unwägbarkeiten bewahrt:
Die zeitversetzte Bezahlung des Rechnungskaufs gibt Käufer*innen daher eine deutlich dominantere Position gegenüber dem Online-Shop. Die Mentalität, die hinter einem getätigten Rechnungskauf steckt, ist also in der Regel nicht „Ich bezahle erst, wenn ich wieder liquide bin“ (wie es die BNPL-Kritiker oft behaupten), sondern vielmehr „Ich bezahle erst, wenn ich mit der Ware zufrieden bin“.
Es leuchtet ein, dass dieser Wunsch nach Sicherheit in ganz bestimmten Sparten besonders ausgeprägt ist. Elektronik-Produkte wie Smartphones, Fernseher oder Computer kosten schnell vierstellig. Da ist es verständlich, wenn Shopper*innen bei Online-Bestellungen ungern in finanzielle Vorleistung gehen. Auch bei Mode liegt der Fall wie oben beschrieben auf der Hand: Wer bereits ahnt, dass es zu Teil-Rouren kommen wird, bezahlt im Vorfeld natürlich nicht den Gesamtbetrag der Bestellung.
Die Sicherheit, die in dieser Form also nur der Rechnungskauf bietet, schafft laut Nets E-Com Report DACH Update 2020/21 ein sehr großes Vertrauen: „So halten 82 % der deutschen, 78 % der österreichischen und 84 % der Schweizer Verbraucher den Kauf auf Rechnung für vertrauenswürdig.“
In derselben Studie „[…] gaben Befragte aus Deutschland an, den Rechnungskauf zu bevorzugen, weil er sicher (58 %) und einfach ist (34 %) und die Möglichkeit bietet, die Zahlung aufzuschieben (32 %).
Wir sehen anhand dieser Daten, dass der Zahlungsaufschub (mit nur 32 %) für Deutsche nicht der Hauptgrund für die Attraktivität des Rechnungskaufs ist. Flexibilität bei der Liquidität und die in diesem Kontext oft unterstellten Liquiditätsengpässe sind nicht die Hauptgründe für die große Beliebtheit des Rechnungskaufs. Es sind Sicherheit und Einfachheit. Deshalb lieben die Deutschen ihren Rechnungskauf so.